Der Sagfjord ist ein Fjordarm im Gebiet der nördlich des Polarkreises gelegenen Gemeinde Sørfold (1.600 km2 Land, rund 2.000 Bewohner*innen) in der norwegischen Provinz Nordland. Der innere Teil des Fjords wird Sagfjordbotn genannt. Hier liegt oberhalb des Weilers Nattmålsodden einer von vielen verlassenen Höfen: Ein kleines Wohnhaus, ein halb zum Wohnen ausgebauter Schuppen, ein Stall mit Werkstatt und etwas abseits ein Utedass (Plumpsklo). Das Wohnhaus soll künftig als Ferienhaus genutzt werden, die restlichen Gebäude Schritt für Schritt angegangen werden, um während Workshops und Seminarwochen mehrere Schlaf- und Atelierplätze für die Kunststudierenden der Bauherren bieten zu können. Der Hof ist nicht mit Autos oder LKWs erreichbar. Jegliches Baumaterial muss je nach Größe entweder mit Booten oder selbstgebauten Flossen herbeigebracht werden.

c/o now schlugen vor alle Renovierungs- und Ausbauarbeiten auf ein Minimum zu beschränken. Die räumliche Konfiguration des Wohnhauses wurde lediglich durch den Abbruch der Holzwand zwischen Stube und Küche verändert. Eine über den Fjord direkt auf den markanten Gipfel des Husbyviktinden ausgerichtete Fensteröffnung wurde vergrößert und eine doppelflügelige Terrassentür aus dem Baumarkt eingesetzt. Die nächste Niederlassung der schwedischen Baumarktkette ‚Biltema‘ liegt etwa 40 Kilometer Luftlinie entfernt, dazwischen liegt die Landstraße von Fauske nach Røsvik, von wo dann wie gesagt jedes Brett und jede Schraube verschifft werden müssen. Für alle Baumaßnahmen, die von den Bauherren zusammen mit befreundeten Handwerker*innen und Studierenden durchgeführt wurden, hat c/o now Bauzeichnungen im IKEA-Stil angefertigt, die einerseits alle Handlungsschritte detailliert erklären, andererseits penibel genau jedes Brett und jede Schraube in Beschaffenheit und Stückzahl genau definieren. Wird etwas im Baumarkt vergessen, bedeutet ‚mal eben nochmal schnell zu Biltema‘ den Verlust eines ganzen Arbeitstages.

Eine solche Planung lag auch dem neuen Bade-, Sauna- und Toilettenhaus zu Grunde, das als kleine Hommage an ‚Tonneau refuge‘ von Charlotte Perriand & Pierre Jeanneret und an den pragmatischen Scifi-Modernismus polarer Laborarchitektur gelesen werden darf. Während in den wenigen wärmeren Wochen des Jahres größeren Gruppen neben den neuen Toiletten der Nebengebäude auch Außenduschen zur Verfügung stehen und eher der Platz in der Wanne mit Blick über dem Fjord auf dem Dach der ‚Tonne‘ begehrt sein dürfte, wird das neue Bade-, Sauna- und Toilettenhaus die überwiegende Zeit des Jahres zur Gemeinschaftseinrichtung. Nicht nur dessen Planung ist vom Prinzip her mit den anderen Baumaßnahmen identisch, auch alle Baustoffe der Tonne kommen aus dem Baumarkt. Design-Entscheidungen fallen somit auch vor den Warenregalen bei Biltema: Sind Bullaugen gerade nicht auf Lager, werden die Fenster halt eckig.

Alles Schraubenzählen ist dabei aber kein Schutz vor höheren Mächten. Als die Kunststudierenden der Bauherren nach dem ersten Angriff der in der Nachbarschaft lebenden Elche auf frisch gepflanzte Baumsetzlinge und den Kräutergarten begannen auf das eingeschiffte Baumaterial zurückzugreifen um einen Schutz zu errichten, stand die Baustelle für Tage still. Was als Zaun gedacht war wuchs sich zu einer veritablen, räumlichen Arbeit aus Holzlatten aus, die zwar die Pflanzungen schütze, aber sogar die Firsthöhe des Wohnhauses überragte. Für die neue Hülle des Wohnhauses und der Tonne blieb kein Material über. Zurück in den Baumarkt!